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Frankfurter Allgemeine Zeitung
Ein Fürstentum für ein Buch
Der Millionär Klaus Barski feiert sich und seinen neuen Roman in
Monaco mit Prinzessinnen und Baronessen
Sagen Sie nicht "Ja". Sie dürfen auf gar keinen Fall "Ja" sagen.
Sonst sind Sie drin. In der Barski-Maschine. Im Erzählrausch. Im
Schaumschläger-Universum. In Barskis Geschichte. Da kommen Sie nicht
mehr raus. Am Anfang ist nur ein einfacher Anruf. "Geben Sie mir vier
Minuten", wird er sagen. Atemlos mit alter Stimme. Und wenn Sie dann
antworten: "Also gut, vier Minuten, aber keine Sekunde länger", dann
ist es eben passiert. Barski erzählt. Und er hört nicht mehr auf.
Von der Kindheit als armer Schlucker in Bremen erzählt er, vom alten
Nazivater, von der Flucht als Söldner nach Kongo, von den Millionen,
die er danach mit Immobilienspekulationen in Frankfurt machte, seinen
großen Tagen auf Ibiza, dem Drogenhafen in Florida, den er kaufte und
so richtig aufräumte, wie er dann fast deutscher Konsul geworden wäre
in Florida, sein Absturz mit dem riesigen Hotel ohne Gäste, seine
Rolls-Royce-Limousinen und -Cabrios mit Nummernschildern wie "German
1", die Rückkehr dann nach Deutschland, die phantastische Villa in
Königstein im Taunus mit großem Park und kleinem Bach, die Wohnung in
Cannes, das Leben als sehr, sehr reicher Mann.
Club der Millionäre
An Unterbrechen ist nicht zu denken. Man müßte einfach auflegen,
mitten im Redefluß. Das tut man natürlich nicht. Und so sind die vier
Minuten lange vorbei, als er endlich zu der Sache mit den Büchern
kommt. Daß er schreibt, daß er das alles aufschreibt in bislang vier
Romanen, daß er mit der deutschen Gegenwartsliteratur mal aufräumen
möchte. Daß er das Leben aufschreibt und gar nicht schlecht, und jetzt
gerade, so ein Zufall, erscheint sein neuer Roman, und der ist sein
bester, und er heißt "Lebenslänglich Côte d'Azur" und erzählt vom
Millionärsleben an der Côte d'Azur. Und das müsse ich jetzt also
unbedingt lesen.
Okay.
Als ich ihn auf der Frankfurter Buchmesse treffe, trinkt er Wein aus
einem goldenen Becher und liest vor fünf, sechs Damen aus seinem neuen
Buch. Nach der Lesung drückt er mir eine Tüte mit all seinen Büchern
in die Hand und Fotos, die ihn mit seinem Rolls-Royce ("mein Rolly",
sagt Barski) zeigen und mit seinem "Lieblings-Verbrecher" Burkhard
Driest. Auch hier redet Barski unaufhörlich, wieder von Kongo, vom
Geld und seinen Büchern. Und davon, daß er die offizielle Präsentation
seines neuen Buches in Monaco feiern möchte. Prinz Albert komme
wahrscheinlich auch. Und alle reichen Größen der Côte. Das wird
Wahnsinn.
Ein paar Tage später ruft er wieder an: "Monaco klappt! Das wird ganz,
ganz groß. Alle kommen. Prinzen, Prinzessinnen, Millionäre und Barone.
Und lauter bunte Vögel." Die Lesung sei im prachtvollen Teppichladen
seines Freundes "Mogi", dem Hoflieferanten des Fürstenhauses. Mit
Champagner und allem. "Sie müssen kommen", sagt er. "Ich zahle alles.
Flug. Übernachtung im Hotel Negresco in Nizza. Alles." Ich erkläre ihm
ruhig, daß das ausgeschlossen ist und ich mich selbstverständlich
nicht einladen lassen kann von einem Autor, der sein Buch vorstellen
möchte. "Natürlich können Sie! Was glauben Sie, was Sie sonst
verpassen!"
Eine Woche später sitzt Klaus Barski auf einer Bank im Flughafen von
Nizza und begrüßt mich herzlich. Zunächst geht es im schwarzen
Miet-Mercedes (der "Rolly" ist leider im Taunus geblieben) zum
herrschaftlichen Hotel Negresco, das in seinem neuen Roman eine
zentrale Rolle spielt, und weil es auch auf dem Titelbild abgebildet
ist, hat der literaturfreundliche Direktor dem unbekannten Autor einen
Rabatt von achtzig Prozent auf die angemieteten Zimmer gegeben,
erzählt Barski stolz.
Die Zimmer sind prachtvoll rüschig mit traumhaftem Blick über die Côte
d'Azur, das Meer und einen kleinen grünen Park. Die Badewanne ist aus
Glitzergold, die Toilettenschüssel auch. Ohne Schriftstellerrabatt
kostet hier eine Nacht 510 Euro.
Bis zur Buchvorstellung ist noch Zeit. Klaus Barski läßt sich von
einem gleichfalls angereisten Mitarbeiter eines privaten hessischen
Fernsehsenders im ganzen Hotel filmen. Auf dem Hotelbett, auf dem
Balkon, im Entrée, später auch am Strand, dann in Monaco vor dem Hôtel
de Paris, dem teuersten Hotel an der Côte. Er läßt sich im schwarzen
Mercedes vorfahren, steigt aus und wieder ein und wieder aus. Klaus
Barski hat alle gewünschten Einstellungen schon genau im Kopf. Der
Mann mit der Kamera folgt ihm gerne. Klaus Barski posiert, lächelt,
legt sich, stellt sich in jede Position.
Wer ist dieser Mann?
Klaus Barski ist einundsechzig Jahre alt, sieht etwas älter aus und
müde. Er trägt grauen Anzug, schwarzes Hemd und ein Seidentüchlein um
den Hals. Seine Frau, mit der er seit vierzig Jahren verheiratet ist,
trägt auch ein Seidentüchlein. Sie ist Amerikanerin und sagt fast
nichts. Und wenn, dann nur sehr leise. Barski hatte zur Begrüßung am
Flughafen zu mir gesagt: Viel Zeit habe ich nicht mehr. Ich brauche
für ein Buch fast drei Jahre. Mehr als drei oder vier werden es nicht
mehr werden. Der Erfolg muß jetzt kommen.
Seine Bücher sind Aufsteigergeschichten. Und Aufschneidergeschichten.
Aus dem Leben. Aus Barskis Leben. Es geht immer um Geld. Und was man
sich davon kaufen kann. Sein erster Roman "Der Frankfurter Spekulant"
beginnt so: "Wenn ich mit meinem Rolls Royce beim Colonial Paradise
Club vorfahre, denken nicht nur die staunenden Touristen: ,Da kommt
der King!' Mit einem gutmütigen Grinsen grüße ich die uniformierten
Wachmänner, die die Spreu vom Weizen trennen, die In-Leute von den
Armleuchtern."
Die Sehnsucht, zu jenen In-Leuten zu gehören, steckt in jedem
Barski-Buch. Und in jeder Barski-Geste. In den unendlich sprudelnden
Barski-Worten des Arbeitersohnes. "Ich gehöre dazu, und ich trage, wie
alle anderen am linken Handgelenk, meine diamantbesetzte Rolex",
schreibt er an anderer Stelle.
Klaus Barski wird langsam etwas nervös. Er weiß nicht, wer an diesem
Abend, an diesem großen Barski-Abend kommen wird. Das Wetter ist
schlecht. Barski schimpft schon die ganze Zeit darüber, da er
eigentlich schön weltmännisch, leger im Cabrio die Küste entlangfahren
wollte. Doch es regnet unaufhörlich, und es heißt, in Monaco gingen
die Leute bei Regen nicht auf die Straße, denn die Bürgersteige seien
dann glatt wie Rutschbahnen.
Im Schaufenster von Centre de Tapis Moghadam leuchtet ein goldenes
Schild, das den Teppichhändler tatsächlich als offiziellen
Teppichlieferanten des Fürstenhauses ausweist. Prachtvolle Teppiche
stapeln sich überall, das teuerste Stück hier kostet eine Million
Euro. Moghadam kommt aus Hanau und kennt Barski schon seit vierzig
Jahren. Er jobbte damals bei der Lufthansa und lernte den Piloten von
Bundeskanzler Adenauer kennen. Dem gab er schon früh auf Adenauers
Staatsbesuche eine Kollektion seiner Teppiche mit, der verkaufte sie
vor Ort, die beiden machten halbe-halbe, und so legte "Mogi", wie
Barski ihn nennt, den Grundstein seines heute angeblich erstaunlichen
Vermögens. Mogi hat auch die Gäste für heute abend eingeladen. Wen?
Das bleibt sein Geheimnis. Barski geht nervös auf und ab. Drapiert den
Lesetisch in der Mitte des Teppichraumes. Mogi öffnet die erste
Flasche Champagner. Es gibt Chips und Nüßchen aus silbernen Schalen.
Langsam kommen die ersten Gäste. Eine blonde, mittfünfzigjährige Dame
in Rosa mit rheinischem Akzent setzt sich etwas unsicher auf den
Teppichstapel. Sie ist gestern von Moghadams Frau auf der Straße
eingeladen worden und weiß gar nicht, wer der Herr ist, der da lesen
soll, und worum es so geht. Sie wirkt etwas unsicher. Vor allem, als
eine außerordentlich stattliche, schlanke, geliftete Dame im schwarzen
Kleid mit Goldschmuck sich neben sie setzt und das Gespräch beginnt
mit einem lockeren: "Was hat Sie nach Monaco getrieben? Auch die
Steuer?" Und die rosa Dame antwortet: "Ich kann es einfach nicht
ertragen, daß in Deutschland nur über Geld geredet wird. Alle wollen
wissen, woher man sein Geld hat. Schauderhaft." Beide sind geschieden,
das wissen sie auch gleich voneinander. Die Dame in Schwarz hat
allerdings Aussicht auf einen neuen Ehemann, erklärt sie. Mit Wohnsitz
in New York und London. Das sei ihr sehr angenehm.
Sie trinken Champagner, plaudern über Geld und deutsche Clubs und
Festlichkeiten, und irgendwann beginnt Klaus Barski zu lesen. Er liest
engagiert und schnell und laut und aus dem Leben. Aus diesem Leben.
Vom Leben am Strand und ohne Geld zuerst, dem Traum vom Negresco und
dem Willen zum Aufstieg. Er liest von welkenden, reichen, geschiedenen
Damen, die ihn verführen wollen, den jungen, mittellosen Besucher am
Strand von Nizza. Er deutet dabei gefährlich direkt auf die Damen auf
den Teppichstapeln, die sich aber zu amüsieren scheinen.
Irgendwann öffnet sich die Tür des Teppichgeschäftes, und der Prinz
und die Prinzessin Polignac kommen herein, direkte Verwandte des
Fürstenhauses, und sie bringen die Baronesse Brandstetter mit. Sie
küssen sich mit dem Teppichhändler und seiner Frau mitten im Raum,
direkt vor dem Pult des lesenden Barski. Kurz darauf ist Pause, und
Mogi sagt zur Baronesse, die etwas derangiert wirkt, aber ein
protzendes Perlengehänge um den Hals trägt, "Du siehst phantastisch
aus" und starrt dabei auf jenes Gehänge, das er sorgsam in der Hand
prüft. Die Baronesse entgegnet ärgerlich: "Wenn ich deinen Schlips
anstarren würde und sagte: Du siehst heute wieder phantastisch aus,
Mogi, das wäre doch auch eine Frechheit, oder?"
Damen der Gesellschaft
Mogi wird kleinlaut. Das Vermögen der Baronesse wird hier auf 500
Millionen Euro geschätzt. Sie hat vor kurzem einen autobiographischen
Roman veröffentlicht, in dem sie ihren Aufstieg durch schlaues
Heiraten von Hitlers Chauffeurstochter zur Multimillionärin
beschreibt, weiß Mogis Sohn zu berichten. "Ein tolles Buch!" Ein Herr
aus der Schweiz stellt sich mir als Geschäftsvermittler vor. Er sei
der reichste Mann von Luzern gewesen, was ein leichtes war, erzählt
er. Jetzt suche er neue Herausforderungen in Monaco. Er verachte die
Gesellschaft hier, sagt er. Und die Gesellschaft verachte ihn. Monaco
sei das einzige westeuropäische Land, in dem Pressezensur herrsche,
raunt er mir zu. Aber für seine Branche seien die weltweit
verbreiteten Fürstenmärchen ideale, unbezahlte PR.
Barski steht zwischen all diesen Menschen etwas verlassen herum. Seine
Frau hat Party-Spieße mit Weißbrot und Garnelen vorbereitet, die die
Gäste größtenteils verschmähen. Er liest nach der Pause noch etwas
weiter, verschenkt danach alle Bücher, die er mitgebracht hat,
signiert und trinkt aus seinem goldenen Becher. Die rosa Dame ist
schon nach der Pause gegangen. Ihr waren viele Worte im Buch zu
anzüglich. Der Schweizer hat in der vorgelesenen Passage "sechzehn
Fehler" gefunden.
Die Gäste gehen. Es regnet noch immer. Die Wege sind glatt. Das
Teppichgeschäft leuchtet hell. Wir fahren zurück nach Nizza. Ins
Negresco. In die Nacht.
VOLKER WEIDERMANN
Klaus Barski: "Lebenslänglich Côte d'Azur". Éditions trèves, 2004. 308
Seiten, 12,80 Euro.
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